Jeder Einzug in die eigene Wohnung ist ein Erfolg

Mit housing first österreich wird ein international erfolgreichen Ansatz zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit auch nach Österreich gebracht. Stefan Hindinger ist Leiter von Mosaik in Vöcklabruck und Projekt-Koordinator für die Umsetzung in Oberösterreich und berichtet über dieses neue Angebot der Wohnungslosenhilfe, das wohnungs- und obdachlosen Menschen dauerhaft eine eigene Mietwohnung vermittelt und sozialarbeiterisch unterstützt.

Was sind die wesentlichen Grundideen des „Housing First“ Ansatzes zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit?
Stefan Hindinger: Die eigene Wohnung ist das beste Mittel gegen Obdachlosigkeit. Wohnungs- und obdachlose Menschen gehen oft viele Schritte – von Notunterkünften über temporäre Einrichtungen – bis sie wieder selbstständig wohnen. Diese Schritte sind für manche hilfreich. Die meisten Menschen brauchen für einen Neustart in ein geregeltes Leben vor allem eine dauerhafte Wohnung mit eigenem Mietvertrag und sozialarbeiterische Unterstützung da, wo sie notwendig ist.

Wie ergänzt das Projekt die in Oberösterreich existierende Angebotspalette im Bereich der Wohnungslosenhilfe?
Wir verkürzen mit housing first österreich die Phasen der Wohnungslosigkeit und entlasten damit stationäre Angebote. Außerdem erreichen wir neue Zielgruppen, oft Menschen in verdeckter Wohnungslosigkeit. Der Frauen- und Kinderanteil ist hier größer als in der „traditionellen“ Wohnungslosenhilfe. Auch Geflüchtete mit positiven Asylbescheid können von diesem Angebot profitieren.

Das Projekt sieht eine möglichst breite Zielgruppe für die Teilnahme vor: Wie gestaltet sich die Vielfalt der bisher in Oberösterreich begleiteten Personen im Rahmen von housing first österreich – kannst du uns hier ein paar Beispiele geben?
Die Mieter:innen sind tatsächlich keine homogene Gruppe - vom älteren Menschen, der lange Zeit obdachlos war, bis zur jungen Alleinerzieherin, vom jungen asylberechtigten Syrer bis zur älteren österreichischen Pensionistin. Vor der Housing-First-Wohnung wohnten die Betroffenen in Notschlafstellen, prekären Wohnverhältnissen, Grundversorgungsquartieren oder auf der Straße.

Das ist ein Bild von Stefan Hindinger
Stefan Hindinger ist Projektkoordinator für Oberösterreich. ©Thomas Koller

In Oberösterreich arbeiten aktuell sieben Sozialorganisationen aus der Wohnungslosenhilfe bei der Umsetzung von housing first österreich zusammen. Welche Aufgaben übernehmen diese bzw. welche Unterstützung erhalten die Mieter:innen einer „Housing-First-Wohnung“ ganz konkret?
Die Wohnungsakquise übernehmen die „Wohnplattform“ und das „Mosaik“ für das gesamte Bundesland. Dem „Mosaik“ obliegt zusätzlich die Koordination, d.h. im Bundesland selbst und gegenüber der BAWO (Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe) als bundesweite Projektverantwortliche. Alle Organisationen machen Clearing. D.h. sie klären mit den Klient:innen ab, wieviel eine Wohnung kosten darf und stellen die Wohnungsansuchen. Gibt es eine passende Wohnung, werden die Anträge auf Übernahme der Kaution durch housing first österreich gestellt und es beginnt die Betreuungsarbeit mit Einzugsbegleitung und je nach Mieter:in mit den entsprechenden weiteren Unterstützungsleistungen.

Deine Rolle im Projekt sieht unter anderem vor, Wohnungen für housing first österreich zu erschließen. Welche Erfahrungen machst du bei der Wohnungsakquise?
Die Zusammenarbeit mit den Gemeinnützigen Bauvereinigungen, deren Verband ja bundesweiter Projektpartner ist, funktioniert - auch wenn noch nicht alle Bauträger an Bord sind - sehr gut. Schwieriger ist es, Wohnungen für Drittstaatenangehörige zu vermitteln. Die meisten aus dieser Zielgruppe erfüllen die restriktiven Zugänge für den geförderten Wohnbau in OÖ (noch) nicht. Wir sind daher auf den privaten Wohnungsmarkt angewiesen, der bekanntlich teurer ist.

Welche Erfolge aber auch Herausforderungen zeigen sich im aktuellen Projekt zu „Housing First“ für die unterschiedlichen Stakeholder?
Jeder Einzug in die eigene Wohnung ist ein Erfolg, weil er Wohnungslosigkeit beendet und für die Mieter:innen einen Anker bietet, der maßgeblich zur Stabilisierung beiträgt. Die größte Herausforderung ist es, in möglichst kurzer Zeit, geeignete Wohnungen anbieten zu können. Weiters wollen wir das Angebot des „Mietenmonitorings“ verbessern. Vermieter:innen sollen sich möglichst zeitnah auch bei uns melden, wenn eine Miete nicht bezahlt wird.

Das Projekt housing first österreich läuft vorerst bis Herbst 2024. Wie schauen die Perspektiven einer Weiterführung aus bzw. auch nachhaltigen Verankerung in der Angebotspalette der Wohnungslosenhilfe in (Ober-)Österreich aus?
Eine aktuelle Gesetzesänderung macht es theoretisch möglich, die von housing first österreich aufgebauten Strukturen auch über den Herbst 2024 hinaus auf Bundesebene zu erhalten. Dafür setzen wir uns vonseiten der BAWO ein und es gibt positive Signale des Sozialministerium, das das aktuell laufende Projekt finanziert. Für die Wohnungslosenhilfe OÖ und den Fördergeber Land OÖ stellt sich die Aufgabe, Housing First als strategisches Mittel zur Beendigung von Obdach- und Wohnungslosigkeit einzusetzen und zu verankern. Es braucht dazu den Mut, „traditionelle“ Angebote zu hinterfragen und die gesamte Wohnungslosenhilfe in Oberösterreich neu aufzustellen. Wobei klar ist, dass es neben Housing First und Prävention noch spezifische stationäre Angebote brauchen wird.

2 junge Menschen machen es sich auf der Couch gemütlich
Bild: Christopher Mavric

Rundbrief 3 24

Dieser Beitrag ist im aktuellen Rundbrief erschienen.

 

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