Tag der Arbeitslosen 2024

Und was machst du so?

Der Tag der Arbeitslosen findet jedes Jahr am 30. April statt, er soll auf die Situationen von arbeitssuchenden Menschen aufmerksam. Arbeitslosigkeit ist eng mit Armut, Scham, Perspektivenlosigkeit und sozialer Ausgrenzung verknüpft.

Trotz hoher Beschäftigungszahlen und Arbeitskräftemangel steigt die Arbeitslosigkeit gerade in Oberösterreich bedenklich an. Die Arbeitslosigkeit stieg im März 2024 bei Frauen (+2.091; +17,3%) und Männern (+3.701; +23,5%). Bei Personen über 55 Jahre stieg die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahr um +10,5% (+674 Personen). Gerade hat die Statistik Austria die Ergebnisse der EU-SILC 2023- Erhebung veröffentlicht. Die Anzahl der Menschen in absoluter Armutslage ist auf 336 000 Personen gestiegen. Das sind 3,7 % der Bevölkerung in Privathaushalten. Geringe Erwerbseinbindung ist ein Risikofaktor für Armut: 5,7 % der unter 65-Jährigen sind davon betroffen. Ist eine Person ganzjährig arbeitslos, dann ist auch das Risiko für ein relativ gesehen geringes Haushaltseinkommen und absolute Armutslagen deutlich erhöht: Mehr als die Hälfte (56 %) derjenigen, die zwölf Monate oder länger arbeitslos waren, war armutsgefährdet, über ein Viertel (28 %) war erheblich materiell und sozial benachteiligt. Die finanziellen Nachteile auf Grund der Arbeitslosigkeit konnten also in vielen Fällen nicht durch die Einkommen anderer Personen im Haushalt ausgeglichen werden.

Im Vor-Wahlkampf sind schon die Rufe nach einer Reduktion des Arbeitslosengeldes, mehr Sanktionen für arbeitssuchende Personen oder gar einer Erhöhung der Arbeitszeit (die Industriellenvereinigung forderte jüngst die 41-Stunden-Woche) zu hören. Gleich vorweg: Mit überholten Methoden wird weder die Transformation am Arbeitsmarkt zu bewältigen sein noch eine nachhaltige Reduktion der Arbeitslosigkeit zu erzielen sein.  

Langfristig ist die Verwaltung von Arbeitslosigkeit teurer als arbeitsmarktpolitische Förderprogramme. Keine Arbeit zu haben, verstärkt die sozialen Probleme und nimmt Betroffenen die Chance auf eine nachhaltige Veränderung. Daher braucht es eine aktive Arbeitsmarktpolitik, neue Modelle und alternative Lösungen für Menschen, die mit dem Tempo am ersten Arbeitsmarkt noch nicht mithalten können.

Die oö. Aktionsgemeinschaft zum Tag der Arbeitslosen nutzt die Zeit rund um den 30. April, um mehr Bewusstsein für die schwierige Situation von arbeitssuchenden Menschen hinzuweisen und auch moderne Lösungswege aufzuzeigen. Am 16. und 18. April fanden die Politiker:innen-Gespräche statt, bei denen Vertreter:innen von Sozialorganisationen ihre Expertise an Entscheidungsträger:innen weitergegeben haben. Am 30. April findet in Linz der Stadtrundgang „Von Arbeitslosigkeit betroffen – kleine und große Geschichten in der Stadt“ statt.

Forderungen

Jugendliche 

Nach wie vor finden zahlreiche junge Menschen nach der Pflichtschule keinen Lehrplatz, obwohl viele Lehrstellen unbesetzt sind. Die Erfordernisse oder Vorstellungen der Betriebe passen oft nicht mit dem zusammen, was lehrstellensuchende junge Menschen mitbringen. Besonders oft werden Bewerbungen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund nicht berücksichtigt. Der Eindruck, nicht gebraucht zu werden, hat in diesem Lebensalter langanhaltende negative Folgen, etwa für das Selbstbewusstsein, und erschwert es sehr, die Motivation aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus sind Erfahrungen des Ausgegrenzt-Seins eine Hypothek für unsere Gesellschaft und für die Beteiligung an der Demokratie.

Die Folgen der Corona-Krise und der Teuerungswelle wirken sich auf die psychische Gesundheit ausgrenzungsgefährdeter Jugendlicher aus. Persönliche Engpässe oder belastende familiäre Situationen erzeugen vielschichtige Problemlagen, welche allein kaum zu bewältigen sind.

Es braucht daher auch mehr Betreuungsplätze mit professioneller und auch psychotherapeutischer Unterstützung für den Einstieg in die Arbeitswelt. Um allen Jugendlichen eine Chance auf einen für sie passenden Berufseinstieg zu geben, braucht es den Ausbau des überbetrieblichen Ausbildungsangebotes samt anschließender Arbeitsplatzperspektive (Beschäftigungsgarantie).

Um die Diskriminierung von lehrstellensuchenden jungen Menschen in Ausbildungs- und Orientierungskursen abzuschaffen, muss auch ihnen der Anspruch und Zugang für das günstige Jugendticket-Netz gewährt werden.

Luna, 17 Jahre, beendete die Pflichtschule ohne positiven Abschluss. Ihr Leben fand am Bahnhof und auf der Straße statt. Als ein Freund am Drogenkonsum starb, ging es Luna sehr schlecht. Es dauerte eine Weile, bis sich Luna dazu durchrang, einen Termin in einem Jugendprojekt zu vereinbaren. Die erste Zeit war für Luna sehr schwierig. Pünktlichkeit, Verlässlichkeit und das Arbeiten an ihrer beruflichen Orientierung waren für sie nicht die Themen, die sie vorrangig bearbeiten wollte. In den intensiven Einzelcoachings und in den verschiedenen Arbeitstrainings lernte sie ihre Fähigkeiten kennen. Das schenkte ihr wieder Kraft und Mut, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Das Arbeiten in der Küche gefiel ihr besonders und sie erkannte dadurch ihr Talent für das Kochen. Daraus entwickelte sich ihr Wunsch, eine Lehre als Köchin zu absolvieren. Luna bekam ein Praktikum in einem Restaurant. Sie hofft nun auf die Zusage für eine Lehrstelle.

Zitat und Bild von Christopher Kopecny Tag der Arbeitslosen

Langzeitarbeitslose Menschen

Eine der wichtigsten und größten Herausforderungen für die Arbeitsmarktpolitik ist der Kampf gegen Langzeitarbeitslosigkeit. Gerade in Zeiten, wo Betriebe einen Arbeitskräftemangel beklagen, ist es notwendig, Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, bestmöglich zu unterstützen.
Im März 2024 ist die Langzeitarbeitslosigkeit in Oberösterreich wieder gestiegen, 6.854 Menschen waren länger als 6 Monate ohne Beschäftigung (+ 9,2% im Vergleich zum Vorjahr).

Wir brauchen höhere und langfristige Investitionen in arbeitsmarktintegrative Angebote. Jeder Euro, der in die aktive Arbeitsmarktpolitik fließt, ist sinnvoll angelegt. Wer hier spart, nutzt die wertvollen Potenziale arbeitsloser Menschen nicht. Sozialökonomische Betriebe (SÖB), Beratungs- und Betreuungseinrichtungen (BBE) und Projekte wie die Umweltstiftung oder Pflegestiftungen sind bewährte Instrumente, um Langzeitarbeitslose nachhaltig in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie ermöglichen es, dass Arbeitsuchende wieder ihren Beitrag leisten können.

Wer sich beruflich neu orientieren muss bzw. will, braucht eine wertschätzende, persönliche und auf die Lebensumstände abgestimmte Beratung. Für eine solche vertrauensvolle Beziehung benötigen die AMS-Mitarbeiter:innen ausreichend Zeit, um sich mit den Bedürfnissen, Kompetenzen und Einschränkungen der Betroffenen intensiv auseinandersetzen zu können. Menschen sind motiviert, veränderungswillig und mutig, wenn sie Perspektiven bekommen.

Herr L. hat aufgrund einer Erkrankung seinen Arbeitsplatz im Schichtbetrieb aufgeben müssen. Er war längere Zeit arbeitsunfähig, insgesamt rund zwei Jahre. Nun versucht er, wieder an seinen alten Beruf anzuschließen, merkt aber bald, dass er das gesundheitlich nicht mehr schafft. Er sucht nach neuen Perspektiven, nach Möglichkeiten, wie er wieder in das Arbeitsleben einsteigen kann, abseits seiner bisherigen Qualifikation. Eine neue Ausbildung kann er sich finanziell nicht leisten, das AMS macht Druck, dass er möglichst bald wieder arbeitet. Nach längerem Suchen findet er einen Betrieb für eine Umschulung im Rahmen einer Stiftung und macht nun eine Ausbildung in einem Sozialberuf. Mit viel Eigeninitiative, Unterstützung seiner Familie und Durchhaltevermögen ist es ihm gelungen, sich nach längerer Arbeitslosigkeit neu zu orientieren und einen neuen Weg einzuschlagen.

Zitat und Bild von Josef Pürmayr Tag der Arbeitslosen

Frauen und Care-Arbeit

Wenn Kinderbetreuungsplätze fehlen, sind es meist Frauen, die die Arbeit unbezahlt zu Hause übernehmen. Das ist der Hauptgrund für die hohe Teilzeitquote bei Frauen, die wiederum zu einem besonders niedrigen Arbeitslosengeld und in weiterer Folge zu Altersarmut führt.

Die Teilzeitquote bei Frauen muss verringert werden bzw. eine Vollzeit möglich sein. Mit den richtigen Rahmenbedingungen und Maßnahmen. Kinderbetreuung soll so organisiert werden können, dass sie sowohl mit Ausbildungen als auch mit Berufstätigkeit vereinbar ist. Und, es braucht dazu entsprechende Ausbildungsmodelle, beispielsweise für den Pflegebereich, die zur Kinderbetreuung passen. Von Beginn der Elternkarenz bis hin zur Teilzeitanstellung muss Care-Arbeit finanziell, überhaupt bzw. noch besser, abgegolten werden! Auch als „Stay-at-home-mom“ oder mit Teilzeitanstellung soll es die Möglichkeit geben ohne finanziellen Druck, hinsichtlich Pension und Arbeitslosigkeit, die wertvolle Care-Arbeit leisten zu können.

Für die Vereinbarkeit von Familie, Ausbildung und Beruf ist - auch in den Landgemeinden - eine flächendeckende, leistbare bzw. kostenlose Kinderbetreuung notwendig. Um das zu ermöglichen, braucht es noch deutlich mehr Maßnahmen, um die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter:innen in den Kinderbetreuungseinrichtungen zu verbessern und den Beruf dadurch attraktiver zu machen. Denn nur mit ausreichend Personal kann auch ein entsprechender Ausbau stattfinden.

Frau G. hat nach längerer Jobsuche eine Arbeitsstelle gefunden, die sich mit den Zeiten, an denen ihre Kinder betreut sind, vereinbaren lässt. Sie kann zwar nur Teilzeit arbeiten, freut sich aber, dass sie wieder in ihrem ursprünglichen Arbeitsfeld tätig sein kann. Doch gleich am dritten Arbeitstag kommt die Ernüchterung – der Arbeitgeber hält sich nicht an die vereinbarten Arbeitszeiten und verlangt von ihr, länger zu bleiben. Die fehlende Kinderbetreuung kann Frau G. sicher irgendwie regeln, meint er. Kann sie nicht – und beendet das Dienstverhältnis daher in der Probezeit.

Zitat und Bild von Barbara Mitterndorfer Ehrenfellner Tag der Arbeitslosen

Totalsperren des Arbeitslosengeldes abschaffen 

Sperren des Arbeitslosengeldes oder Notstandshilfe durch das AMS, weil von arbeitslosen Menschen eine als zumutbare eingeschätzte Stelle nicht angenommen wurde, haben in letzter Zeit stark zugenommen. Dabei wird das Arbeitslosengeld für 6 bis 8 Wochen völlig gestrichen.

Das ist eine existenzbedrohende und menschenunwürdige Bestrafung, die bewirkt, dass der Druck auf die arbeitssuchenden Menschen enorm steigt und der Versicherungsschutz aufgeweicht wird. Die Angst, das Leben nicht mehr finanzieren zu können, ist groß und eine schwere Belastung. Ausreichend Lebensmittel zu kaufen, die Wohnung zu heizen ist schwer möglich, auch der Verlust der Wohnung ist eine große Gefahr.

Daher sind die Sanktionen mit einer völligen Sperre des Bezuges abzuschaffen. „Mehr qualifizieren statt sanktionieren“ muss das Motto in der Betreuung arbeitsloser Menschen sein.

Herr C. traut sich aufgrund schmerzhafter Rückenprobleme nur einen Arbeitsplatz zu, wo er im Sitzen und im Stehen arbeiten kann. Herr C. wird als arbeitsunwillig eingestuft, weil er drei Stellenangebote nicht angenommen hat, - die jedoch rechtlich zumutbar waren – aber seiner Gesundheit enorm geschadet hätten. Daher wurde sein Arbeitslosengeld eingestellt. Freunde unterstützen ihn finanziell, damit er seine Miete bezahlen kann. Aber wie lange noch? Die Angst, das Leben nicht mehr finanzieren zu können, ist groß und belastet ihn psychisch sehr schwer. Seine Hoffnung, ein eigenständiges Leben führen zu können, gibt er aber (noch) nicht auf. Aus gesundheitlichen Gründen traut er sich aber keine Vollanstellung zu, da seine Angst, die Arbeit und die geforderte Leistung nicht zu schaffen, zu groß ist. Wenn Herr C. nicht schnell eine Arbeit findet, wird er bald seine Wohnung verlieren. Er sagt: „Meine Probleme sind so groß, ich weiß nicht, wie ich es da herausschaffen soll.“ Mit intensiver Beratung wird gemeinsam an den Problemen gearbeitet und er wird bei seinen nächsten Schritten in eine positive Zukunft begleitet.

Zitat und Bild von Christian Winkler Tag der Arbeitslosen

Armut verhindern

Das Arbeitslosengeld ersetzt arbeitslosen Menschen in der Regel 55 Prozent ihres früheren Nettoeinkommens. Das bedeutet gerade für Menschen, die zuvor nur ein geringes Einkommen bezogen haben, dass sie in die Armut abrutschen. Dazu kommen die aktuellen Teuerungen bei den Lebenserhaltungskosten. Der durchschnittliche AMS-Bezug in OÖ liegt deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle. 42 Prozent der Menschen, die ganzjährig arbeitslos waren, sind armutsgefährdet.

In vielen Fällen ist das Einkommen während der Arbeitslosigkeit nicht armutsfest, was bedeutet, dass Menschen plötzlich nicht mehr in der Lage sind, ihre Fixkosten zu decken. Der dadurch entstehende psychische Druck und die Existenzangst lähmen. Die Menschen sind damit beschäftigt, sich zu überlegen, wie sie nun über die Runden kommen sollen. Die Energie, die eigentlich in die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz fließen könnte, ist dafür gebunden, Lösungen für Miete, Lebensmitteleinkauf etc. zu finden.

Eine stabile Einkommenssituation, die Sicherheit gibt, alles zum Leben Notwendige bezahlen zu, ist oft die Voraussetzung dafür, dass Menschen überhaupt erst aktiv werden können und sich beruflich (neu) orientieren können. Daher fordern wir eine Anhebung der Nettoersatzrate auf mind. 70% sowie eine Teuerungsanpassung bei bereits bestehenden Bezügen.

Frau B. hatte einen Job in der Gastronomie in ihrem Heimatort. Offiziell verdiente sie sehr wenig. Jetzt ist sie arbeitslos, da das Lokal aufgrund der Energiekrise geschlossen hat. Nun trifft sie der Bezug des sehr niedrigen Arbeitslosengeldes unerwartet und macht ihr finanziell zu schaffen. Viel hat sie nie verdient, es sind kaum mehr Ersparnisse da. Zurück in die Gastronomie will sie, aber sie braucht zuerst einen Plan, wie sie die nächste Miete und die Jahresabrechnung für den Strom bezahlen kann. Und sie braucht einen Arbeitsplatz, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist, denn das Auto musste sie bereits während der Kurzarbeit verkaufen. Sie ist verzweifelt, hat Angst vor der Zukunft und vor den anstehenden Zahlungen. Sich auf die Arbeitssuche zu konzentrieren, fällt ihr schwer, sie muss zuerst ihre grundlegenden Dinge regeln, damit sie ihre Wohnung nicht verliert.

Zitat und Bild von Franz Kehrer Tag der Arbeitslosen

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